Werden wir mal ein wenig wissenschaftlich…
Als Kind hatte ich die Angewohnheit stets, ständig und
immerzu zu „zuppeln“. Meine Mutter kaufte mir damals extra Koldern mit kurzem
Haar. Die waren zwar nicht so kuschelig, hielten aber eine Weile, denn
Wolldecken hatten recht bald kein Fell mehr – ebenso erging es meinen
Kuscheltieren, die ich trotz ihrer Nacktheit und der damit (für andere) verbundenen
Hässlichkeit überall mit hin schleppte.
Unlängst kam ich ins Wohnzimmer und traute meinen Augen
kaum! Da lagen auf dem Sofa verteilt Unmengen an Fusseln. Zuerst glaubte ich an
eine Erscheinung … mitten in diesem Flusenmeer saß meine Mamsell und zuppelte
an der bereits recht haarlosen Wolldecke.
Manche Eigenarten sind somit vielleicht erblich bedingter
Herkunft. Da ich diesen Tick seit meiner Jugendzeit nicht mehr habe, kann meine
Tochter sich ihn zumindest nicht abgeschaut haben.
Doch dann gibt es noch diese anerzogenen Spleens. Das sind
die, bei denen man sich in der Jugend immer wünscht, nie so zu werden wie die
eigenen Eltern.
Meine Mutter hat zum Beispiel die Angewohnheit, im
Restaurant, bei Freunden, bei Bekannten und auch bei Fremden die Krümel von der
Tischdecke zu wischen – selbst wenn gar keine Krümel da sind. Ich habe mich immer
lustig über sie gemacht, bis mein Mann mich beim Inder mit den Namen seiner
Schwiegermutter ansprach.
Oder diese Binsenweisheiten, bei denen man früher die Augen
verdreht hat – „Was die anderen machen ist mir egal, hier gibt es unsere
Regeln“ , „ Ich zähle bis drei…“ oder
gar „Warte mal ab, bis du so alt bist wie ich“. Ich wollte anders sein – wie
wahrscheinlich jeder auf diesem Planeten es sich irgendwann mal vornimmt. Doch
wie oft schlage ich mir heute innerlich auf den Mund, wenn ich zu meinen Kindern
diesen Schmus sage?
Nennen wir es anerzogen, doch irgendwo müssen die Vögel, die
unsere Vorfahren hatten, auch weiter leben. Ich bin froh, dass meine Mama sich
von ihrer Mutter einiges angenommen hat, so können wir sehr oft darüber lachen,
wenn mal wieder der Satz fällt: „Ich wollte nie so werden“ und gleichzeitig
meiner Oma gedenken, die dadurch immer noch unter uns weilt.
Die „Meise unterm Pony“ sollte man gar nicht so negativ
sehen. Es hat seine Vorteile, dass wir alle irgendwo einen an der Klatsche
haben.
Zum Einen würde sicher vielen Menschen etwas fehlen, wenn sie sich nicht über die Eigenarten anderer austauschen könnten. Zum Anderen (und viel Wichtgerem): wer ist noch nie wegen einer süssen, goldigen, klitzekleinen Macke der Liebe begegnet?
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