Dienstag, 3. Juni 2014

Alles unter Kontrolle


Mein Holder wirft mir das schon seit jeher vor, ich weiß es, will es aber nicht wahr haben sehe es aber anders. Wer gibt schon seine Fehler zu?

Vor Kurzem ärgerte mich mein Appendix und wollte raus. Das geht nur mit einer Operation und schon zeigte das EKG bei der Vorbereitung extremen Stress an.
Es war nicht die Angst vor Komplikationen, es war einfach der Gedanke durch eine Spritze keine Kontrolle mehr über mich zu haben.

Der OP-Pfleger war sehr nett. Dank ihm und Hab-Mich-Lieb-Pillchen war ich im Vorbereitungsraum gar zu Scherzen aufgelegt. Und dann kam der Anästhesist. Er legte mir "Sauerstoff" auf die Nase, steckte eine Spritze auf den Zugang und sagte: "So, gleich schlaaaa..." und schon wachte ich wieder auf. Mein erster Satz: "Sie Arschloch, das war kein Sauerstoff, das war Lachgas." In meiner Akte stand dann etwas vom Durchgangssyndrom, was in meinem Fall einfach nur bedeutet: ich habe geschimpft habe was das Zeug hielt.

Ok, das war jetzt eine größere Sache...um nicht zu sagen DIE größte...doch ich wette, ein EKG würde den gleichen Stress anzeigen, wenn ich dabei zuschauen müsste, wie jemand in meiner Küche werkelt und mir wurde der Mund zugenäht, die Hände verbunden und die Füße gefesselt, damit ich mich auch wirklich nicht einmischen kann. Oder wenn Autoritätspersonen...nennen wir sie LEHRER...über meine Kinder bestimmten und ich hätte nichts mehr zu sagen. Oder wenn mein Mann den Wochenessensplan schriebe. Oder wenn  mir jemand genau vorschreiben würde, wie ich etwas nähen soll. Oder wenn mir jemand einfach ein Buch schenken würde, ohne dass ich jemals den Wunsch geäußert hätte. Oder wenn meine Mutter jetzt wirklich  käme und mir die Fenster putzen würde, weil ich es grad dank Operation nicht kann und es tatsächlich nötig wäre...

Kontrolle zu verlieren bedeutet, mich zu verlieren. Wer verliert sich schon gerne? Mein Mann sagt oft, mein Kontrollzwang wäre schon krankhaft. Ich kann doch  nichts dafür, wenn er manchmal vergisst mir zu schreiben, dass er auf dem Heimweg ist. Ganz selbstverständlich schicke ich ihm dann die vorgefertigte SMS mit: "Train?" Und zwar spätestens um 19:27 Uhr! Immerhin verlässt sein Zug um 19:22 Uhr den Bahnhof... ich mach mir doch Sorgen Ich will doch auch meinen Abend planen und sollte dann wissen, wer ab 21:00 Uhr noch so im Haus ist, den ich kontrollieren kann mit dem ich den Abend verbringen kann. Jeden Abend übrigens...schon seit Jahren...21:05 Uhr geht mit seltenen Ausnahmen, die ich schon mindestens zehn Stunden vorher weiß, die Tür auf...  

Als ich im Krankenhaus am vierten Tag nach der OP sagte: "Ich muss nach Hause, ohne mich geht es nicht", antwortete der Arzt: "Glauben sie mir, es geht auch ein paar Tage ohne sie. Geben sie ihr Haus, ihre Kinder, ihren Alltag einfach mal in andere Hände." Wäre ich in dem Moment am EKG angeschlossen gewesen, hätte man mich sicher auf die ITS verlegen müssen.

Meine Recherchen haben ergeben, dass es nicht grade positiv ist, immer Kontrolle über etwas haben zu müssen. Sicher ging meinem Kontrollzwang eine Erfahrung in meinem Leben voraus, die ich nicht noch mal erleben will. Doch eigentlich möchte ich ja nur über mich selbst bestimmen. Daran kann ich absolut nichts negatives erkennen...außer den Egoismus. Doch da ich mich auch immer so "kontrolliere", dass es meinem nahen Umfeld gut geht, paart sich der Egoismus mit Altruismus und am Ende treffen sich beide bei Null und schwupp...die Welt ist wieder in Ordnung.

Kontrolle bedeutet auch, darauf zu achten, ein glückliches Leben zu haben. Und dagegen kann ja nun mal niemand etwas einwenden, solange man andere damit nicht unglücklich macht.


In diesem Sinne:

Gehabt euch wohl! Und nicht immer alles so Ernst nehmen...

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